Gastbeitrag: Kinderfotografie im Alltag


Ich möchte euch unbedingt Michelle vom Blog Kamikazefliege vorstellen. Sie hat den ultimativen Sprung vom Heilerzieherberuf zur Kinderfotografin gemacht. Da dachte ich mir, dass es für euch interessant sei, mal zu wissen, wer ist diese Michelle und was kann sie euch beibringen, um bessere und interessantere Fotos von euren Kinder zu schießen.

Ich habe ihr ein paar Fragen gestellt, die sie mir ganz ausführlich – und natürlich für euch – beantwortet hat.

Michelle, du lebst mit
deinem Mann und deinem 3-jährigen Sohn in Baden-Württemberg. Wie und wann kam
es zu deinem Blog?

Das Schreiben hat mir
immer großen Spaß gemacht, vor allem wenn es nichts vorgegebenes war und ich
einfach drauflos schreiben konnte. Eine ganze Zeit lang habe ich dann ein mehr
oder weniger peinliches Onlinetagebuch geführt, was mehr Selbstfindung als
hochwertiger Inhalt war… Blogs habe ich, als sie aus dem Boden sprießten wie
Fliegenpilze, sehr gerne gelesen, aber mir selbst fehlte ein Thema. Als ich den
positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt, wollte ich es meinem Mann
erst einige Tage später zu Weihnachten verraten, und irgendwohin musste ich mit
alldem. Ich hatte zuvor schon Schwangerschaftsblogs gelesen und fand diese
meist wirklich nett… So entstand mein Blog – mit dem positiven Test.
Mittlerweile ist er aber viel weniger Tagebuch und viel mehr alles um unsere
kleine Welt…

Was bedeutet
“Kamikazefliege”? Und um was geht es in deinem Blog hauptsächlich?

“Kamikazefliege” stammt
aus einem Lied von Judith Holofernes (Wir sind Helden Frontfrau, in diesem Fall
aber mit Soloalbum) den ich ganz süß fand, und auch ziemlich passend zu mir.
Die “Kamikazefliege” wurde meine Internetidentität, denn meist bin ich
“kamikazetechnisch” ganz weit vorn mit dabei, wenn es ums Kopf durchsetzen
(also mit dem Kopf durch die Wand, wer braucht Vernunft!), aber auch Hinfallen,
Wehtun, Dinge fallen lassen und co geht.

“Komm wir verbrennen
uns die Finger rennen uns die Köpfe ein

Laufen blindlings
gegen Mauern und in offne Messer rein

lieber bluten wir
zusammen als ganz allein zu stehn

wer will nicht lieber
aus Liebe als gar nicht zu Grunde geh’n”

Du bist gelernte
Heilerziehungspflegerin. Nun, nach deiner Elternzeit, wirst du dich als
Fotografin selbstständig machen. Wie kam es zur Fotografie?

Vor meiner Ausbildung
als Heilerziehungspflegerin habe ich lange überlegt, was ich werden möchte.
Mich mit 17 Jahren auf einen Beruf mein Leben lang festzulegen hat mich total
überfordert. Etwas Kreatives sollte es sein – Fotografin hätte ich gerne
gelernt. Eine 4 durch meine unmotivierte Physiklehrerin (“das ist halt so, das
musst du nicht wissen, nur auswendig lernen!”) hat mich leider davon
abgehalten, denn Physik war damals für den Beruf wichtig (als man eben noch
selbst entwickelte!). Meine einzige Bewerbung an einer Schule für Grafikdesign
fand auch keine Resonanz, und so landete ich zunächst bei einem Freiwilligen Sozialem Jahr. Ich fühlte mich irgendwo angekommen. Nebenbei habe ich aber
immer fotografiert. Zunächst die Schwangerschaft einer Freundin, dann die
Hochzeit einer anderen Freundin. Unzählige Selbstportraits, dann Freunde von
Freunden, bis ich letztendlich Anfragen von wildfremden Leuten bekam. Da
beschloss ich, das Ganze weiter zu verfolgen und meldete 2008 mein Nebengewerbe
an, so dass ich von da an auch Geld verdienen konnte. In meinem Beruf blieb ich
jedoch weiterhin und konnte so wochenends beispielsweise Hochzeiten
fotografieren, oder nach Feierabend Termine mit schwangeren vereinbaren. Das
Ganze wuchs und entwickelte sich, ohne dass ich es in diese Richtung drängte.

Dank der unglaublichen
Unterstützung meines Mannes in der Praxis wie Website, Werbematerial, “ich
bräuchte da schon wieder ganz dringend neue Flyer – weil ich ständig neue Ideen
im Kopf habe” usw, aber nicht zuletzt auch bei der Kinderbetreuung während der
Elternzeit, ständigem Ermutigen und der mentalen Unterstützung kam es so weit,
dass ich mich nun traue, den Schritt in die komplette Selbstständigkeit zu wagen
und zum 1.1. mein Atelier zu beziehen.

Rückblickend muss ich sagen, war alles ziemlich perfekte Fügung. Alles zu
seiner Zeit, und ich hoffe, damit liege ich auch in Zukunft richtig.

Was wirst du
fotografieren? 

Ich fotografiere neben
Hochzeiten (das mache ich bereits seit 2008) hauptsächlich Kinder,
Schwangerschaften und Neugeborene. Natürlich hilft es ungemein, selbst einmal
ein Baby gehabt zu haben, wenn man fremde Babys anfassen, beruhigen und in
Posen legen möchte, und es hilft, wenn man selbst einmal einen zweijährigen
hatte, Verständnis für deren Verweigerung und Situation aufzubringen.

Diese Bereiche decken
die schönen Seiten des Lebens ab, es ist so toll, ehemalige Bräute manchmal
Jahre nach deren Hochzeit wieder mit Babybauch fotografieren zu dürfen. Das
Gefühl, dass sie mir vertrauen, mir buchstäblich auch ihre Babys in die Hände
legen, ist eine wunderbare Bestätigung für mich, dass ich mit dem, was und wie
ich es mache, richtig liege.

Kinder erwischt man outdoor am besten. Nach einer Runde “um den Baum rennen” natürlicher
und ausgelassener als vor einer Blitzanlage mit der Anweisung” und jetzt bitte
lächeln!”. Modefotografie oder Portraitfotografie wäre mir viel zu einseitig,
zu vorherseh- und planbar, zu oberflächlich – das langweilt mich. Ich schaffe
lieber natürliche und liebevolle Szenen als solche, die anderen eine schöne
oder gar sexy Welt vorspielen sollen.

Für alle, die das
Fotografieren als Hobby machen und keine teure Ausrüstung haben, z.B. nur mit
dem Handy fotografieren. Kannst du uns Tipps geben, worauf man bei der
Kinderfotografie achten sollte?

Aber klar, ich habe auch
nicht immer meine beste Kamera dabei, oder nur eine schlechte Handykamera! Wenn
es um Schnappschüsse unterwegs geht, sei es beim Eis essen, Radfahren oder auf
dem Spielplatz, ist es immer sinnvoll, nicht aus der gewohnten Perspektive zu
fotografieren. Auf Augenhöhe der Kinder lassen sich viel schönere Bilder
machen. Kinder braucht man auch nicht immer zum Herschauen zu animieren. Wenn
die Situation gerade schön ist, z.B. eine Kastanie betrachtet wird, Himbeeren
gepflückt werden oder ein Sandkuchen gebacken wird, dann fotografiert doch
diese Situation so, wie sie ist, und versucht nicht einzugreifen. Habt Geduld –
wenn ein Kind mit seiner Handlung fertig ist, wird es automatisch mal
herschauen und euch stolz berichten, was es gerade gesehen oder getan hat.
Diese Bilder sind so viel wertvoller und echter als “guck doch jetzt endlich
mal, sonst werde ich echt sauer!!!”

Gibt es ein 1×1 der
Kinderfotografie?

Ich glaube nicht, aber ich
beschäftige mich eher weniger (okay! NIE!) mit Regeln. Für mich ist immer ganz
wichtig:

*Geduld! Ein geniales
Kinderfoto entsteht nicht “einfach so”, sondern erfordert oft einfach ein
bisschen Geduld, Beobachtung und Zeit. Was macht das Kind wohl als nächstes,
wenn man nicht eingreift?

*Geht auf Augenhöhe, nicht von oben fotografieren!

*auf gar keinen Fall das
Kind zum Herschauen animieren
! Ich erlebe so oft, dass ich mich mit einem Kind
unterhalten möchte, um bestimmte Ausdrücke oder Stimmungen zu erzeugen, und die
Eltern von beiden Seiten mit “SCHAU DOCH MAL ZUR FOTOGRAAAFIN” – Salven aufs
Kind einschießen. Und wenn es dann total genervt herschaut – ja, dann passiert
nix. Was soll das Kind davon halten?  Das hat dann, verständlicherweise, keine
Lust mehr, irgendwas zu tun, zieht sich zurück. Lieber mit dem Kind unaufgeregt
unterhalten, es Dinge fragen, die es gerne beantwortet und wie nebenbei Fotos
machen – diese sollten dabei nicht im Vordergrund stehen.

*Die Stimmung des Kindes
akzeptieren. Wenn es nicht fröhlich ist, dann wirkt ein gestelltes Lachen
nunmal gestellt. Wenn ein Kind traurig ist, müde oder wütend, dann nützt es
nichts, das auf Kommando ändern zu wollen, das gibt nur Frust auf beiden (!)
Seiten.

*Einfach hinsetzen und
herschauen? Bietet lieber ein bisschen Ablenkung und Spielerei: einmal um den
Baum rennen und dann hinplumpsen lassen? Seifenblasen fangen, einen Ball
wegkicken, das Gras befühlen, Tiere in Wolken suchen? Alles ist spannender und
kindgerechter als mal in die Kamera zu lächeln!

*Bei Babys ab 3 Monaten
kann ein wohl dosierter, versteckter Quietscher helfen. Kein Dauerquietschen
oder Dauerrasseln, kein “vor der Nase herumwedeln”, da es auch sonst hier
schnell in Desinteresse umschlagen kann.

*Achtet auf den Hintergrund.
Keiner möchte getragene Socken oder das unaufgeräumte Geschirr im Hintergrund
sehen – ein Perspektivenwechsel kann (wenn aufräumen nicht möglich ist ;))
helfen!

Was fotografierst du am
Liebsten?

Kinder! Sie scheren sich
nicht darum, wie sie gerade wirken, wo ihre Schokoladenseite ist und ob ihre
Schenkel dick wirken, sie sind einfach, was sie sind, und das macht den Zauber
der Kinderfotografie aus. Am besten lassen sich Kinder fotografieren, wenn ihre
Eltern entspannt sind und mir vertrauen, sich nicht einmischen und sich dezent
im Hintergrund aufhalten, ohne Angst zu haben, dass sich ihre Kinder nicht
benehmen oder ihnen nicht vorwerfen, nicht mitzumachen.

Du hast mal einen
Artikel zur Kindergartenfotografiegepostet. Da
lief es ja nicht so, wie du gedacht hattest. Hat dich das verunsichert? Was
gibst du Eltern mit auf den Weg, wenn es mal nicht so läuft, wie man es gerne
hätte?

Verunsichert hat es mich
im Grunde eigentlich nicht, nur verärgert. Ich fühlte mich missverstanden. Noch
heute ärgere ich mich über eine handvoll unzuverlässige Eltern dieses einen (!)
Kindergartens. Ich bekomme noch 5 Monate danach Anfragen, weil Eltern die Daten
auf dem USB-Stick doch noch kaufen möchten – dann aber beim (Spott!-)Preis
verhandeln möchten, obwohl sie bereits Abzüge geschenkt bekamen. Oder sie
melden sich einfach gar nicht mehr, nachdem sie per Mail schon fest einen USB
Stick bestellten und ich bereits ihre Daten bearbeitet, kopiert und verpackt
habe! Sie sehen leider nicht, dass das alles viel mehr als knipsen ist, ich
Abzüge, USB – Sticks etc. auch selbst bezahlen musste, und das Bearbeiten und
kopieren, archivieren, sortieren, verpacken und der Emailkontakt nicht wenig
Arbeitszeit kosten.

Ich kann mir nur
wünschen, Eltern würden ihre Vorstellungen im Voraus klar formulieren können,
so dass nicht jeder von etwas anderem zu sprechen scheint. Später könnten sie
versuchen, sich in Dienstleister (ich bin mir sicher, das betrifft auch andere
Dienstleister) hineinzuversetzen und ihnen würde vielleicht klarer werden, dass
es unmöglich ist, alle Wünsche gleichermaßen zu erfüllen und einen
respektvollen Umgang anzustreben – auf Augenhöhe, und keine Preisnachlässe von
80% verlangen, weil einem der vom Elternbeirat gewählte Hintergrund nicht
zusagt oder keine gratis- Schlüsselanhänger dabei sind, obwohl der Fotograf vor
4 Jahren das angeboten hat (oder seid euch zumindest bewusst, dass Geschenke nie
Geschenke sind, sondern im Mappenpreis mitbezahlt wurden)…

Wie findet man den geeigneten Kindergartenfotografen? 

Zum Thema
Kindergartenfotografie im Speziellen kann ich nun auch von der anderen, der
Elternseite, mitsprechen. Die Vorauswahl für den Elternbeirat, die Durchsicht
der Bewerber-Fotografen durfte ich in unserem KiGa übernehmen. Ich bin schier
vom Glauben abgefallen. Ein Anbieter schickte beispielsweise 8 (!) Mappen in 2
Monaten. Inklusive verbotener Bestechung (“Bobbycar bei zeitnaher Buchung für
die Einrichtung GRATIS!”). In anderen Mappen tauchten genau die selben Fotos
wieder auf, unter anderem Namen (Tochterfirmen!). Schaut die Mappen sorgfältig
durch, macht euch übersichtliche Notizen, ihr werdet danach erstaunt sein.

Lasst euch keinesfalls
von Standard – Hochglanzfotos, Lockangeboten und besonders Geschenken blenden
und hinterfragt ein bisschen. Klärt vorher genau ab, was ihr gerne möchtet.
Fotos, die aussehen wie die, vor 20 Jahren? Möglicherweise hat sich die Kindergartenfotografie
gewandelt, Massenanbieter seit 30 Jahren aber ihren Stil beibehalten. Das muss
nicht sein. Oder wünscht ihr euch lieber mal natürliche Fotos, ohne Kulisse im
Freien? Fotos während dem freien Spiel? Dann sucht gezielt danach. Oder sprecht
lokale Fotografen an.

Fotografenketten mit
ihrem Sitz mehrere hundert Kilometer weg, die vorgedruckte, völlig überladene
Broschüren anbieten, fliegen aus der Auswahl meiner Meinung nach direkt raus.
Nicht nur, dass versprochene Geschenke illegal sind – ich frage lieber kleine
lokal ansässige Fotografen oder wähle Bewerber in die engere Auswahl, die
herausstechen – durch weniger aufdringliches Auftreten. Dann bespreche ich
persönlich meine Vorstellungen (bzw. die des Elternbeirats), statt auf große
Konzerne (Provisionsbasis!) zu setzen, bei denen Kindergartenfotos
“Massenabfertigung” bedeuten, die Kindergärten mit ungefragter (!) Werbung
bombardieren. Achtet auch auf die Beschriftung der Umschläge. Massenwerbung,
Hochglanzmappen in siffigen, mit Filzstift bekritzelten Adressen, oft noch
falsch geschrieben – das hätte bei mir keine Chance.

Viel Erfolg!


Vielen, vielen Dank für diesen tollen Gastbeitrag! Ich bin mir sicher, dass meine Kinderfotos besser werden. Wenn nicht, dann rufe ich dich einfach an 🙂

Wollt auch ihr über ein Thema sprechen und einen Gastartikel schreiben?

Dann schreibt mir gerne an isa (at) larilara (punkt) de.

Ich freue mich!

Bis bald

eure Isa

3 Kommentare

  • Moin und vielen Dank für den tollen Artikel!

    Da ich – nicht nur für den Blog – ständig meine Küstenkinder fotografiere, finde ich Deine Tipps sehr wertvoll. Das mit der Augenhöhe kann ich nur bestätigen!

    Eine Frage noch: Ich fotografiere auch gerne draußen, weil wir viel unterwegs sind. Doch gerade, wenn die Kids in Bewegung sind, fällt es mir manchmal schwer, sie "einzufangen"; auf vielen Bilder ist dann nur ein Arm oder ein Bein oder gar kein Kind drauf, oder sie sind trotz kurzer Verschlusszeiten verwischt bzw. unscharf. Wie bekomme ich das besser hin?

    Herzliche Grüße

    Küstenmami

  • Toller Gastbeitrag. Bei 5 Kindern ist man immer am fotografieren und ich finde die Tips Klasse. Vielen lieben Dank 💜

  • Hallo liebe Küstenmami!
    Dankeschön für deinen lieben Kommentar!
    Eigentlich herrschen draußen die idealen bedingungen, um auch in Bewegung mit kurzer Verschlusszeit scharfe Bilder zu machen. Wenn du die Möglichkeit hast, selbst die ISO einzustellen, kannst du mal versuchen, ob es mit einem höheren Wert besser klappt. Je höher die Lichtempfindlichkeit, desto kürzer kannst du dei Verschlusszeit einstellen. Aber Kompaktkameras haben auch meist eine Auslöseverzögerung, da reicht schon eine halbe Sekunde, und das Kind ist weg 😉 Einige neuere Kameras (und ich meine sogar Handys, das neue iphone) haben eine Funktion, dass es sogar noch aufzeichnet, was VOR dem betätigen des Auslöers passiert ist.
    Wenn es um die Schnelle der Kinder geht: Manchmal haben die Autmotikprogramme der Kameras aber so doofe vorgegebene Einstellungen, dass es dennoch schwierig ist. Gibt es ein Sportprogram bei Deiner Kamera? Vielleicht funktioniert das so besser? Alternativ kannst du die verschlusszeit vielleicht manuell einstellen. Keinesfalls unter 1/80 Sekunde gehen, und bei bewegten Motiven eher bei 1/200 Sekunde einstellen…
    Ich hoffe, ich konnte Dir etwas helfen!
    Liebe Grüße!
    Michelle

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