Rezension: Der Weltenexpress 2

Der Weltenexpress - Teil 2 - für Kinder ab 10 Jahre

Anca Sturm, Der Weltenexpress – Zwischen Licht und Schatten
(ab 10 Jahren – Anm. der Redaktion)

Der zweite Teil der großen Trilogie „Der Weltenexpress“

Der erste Teil der Trilogie hatte mich bereits in den magischen Fahrtwind des Weltenexpress gesogen, in die Welt der Pfauen und der Magietechnologie. Ich schlug den zweiten Teil auf, las die ersten Zeilen und befand mich sofort wieder auf dem Weltenexpress und habe das Buch an zwei Abenden veratmet.

Es ist Flinn, die mich in ihre Welt, in ihre Gefühlswelt, hinein- und damit auf den Weltenexpress heraufzieht.

Es war besser, verspätet Schülerin im Weltenexpress zu werden, als gar nicht. Denn hier lebte sie nun: im Weltenexpress, dem fahrenden Internat auf Schienen, gezogen von einer gewaltigen Dampflokomotive.
Erst vor zwei Wochen war Flinn ohne Ticket auf den Zug aufgesprungen, um ihren verschwundenen Halbbruder Jonte zu finden. Aber das war gar nicht so einfach. Dass sie mittlerweile ein Ticket besaß, machte die Sache leider auch nicht leichter.

Flinn bleibt unerschütterlich auf der Suche nach Jonte und hat dabei schon im ersten Teil die ersten Geheimnisse des Weltenexpress mit ihrem unbändigen Willen und unendlichen Mut gelüftet.

Der Express ist wie ein Teppich aus Geheimnissen“, sagte Pegs altklug. „Wir haben am Rand gezupft und jetzt müssen wir nur noch darauf warten, dass er sich vor unseren Augen aufdröselt.

Flinn stößt bei ihrer Suche auf viele weitere Geheimnisse des Weltenexpress:

Es steigt Gerlinde Steinmann, die neue Lehrerin auf den Weltenexpress auf. Eine merkwürdige Erscheinung ist sie.

Direkt unter dem Fenster thronte eine untersetzte, breitschultrige Frau in Anglerweste und Cargohose und mit Safarihut zwischen unzähligen leopardengemusterten Koffern. Sie sah so rund und in sich ruhend aus wie eine Bienenkönigin inmitten ihres Volkes. In der Hand hielt sie einen sehr dünnen Spazierstock, den sie wie einen Taktstock Richtung Express neigte. Einen kurzen Moment lang glaubte Flinn, sie habe den Zug damit gestoppt. Aber das war ja wohl nicht möglich.

Und erstmals richtet sich Flinns Blick auf Jakub Pavlak, ebenfalls ein Pfau. Er ist jung, eigentlich viel zu jung – und deshalb so unsicher und ängstlich?

Am Tisch neben Flinn erhob sich ein kleiner, braunhaariger Junge. „Das ist Jakub Pavlak“, erklärte Pegs Flinn. „Eigentlich ist er viel zu jung für den Weltenexpress. Er ist erst acht. Aber es heißt, er habe bereits vor Jahren sein Ticket erhalten, und weil er Waise ist, hat Daniel ihn an Bord geholt.“ Als Jakub Pavlak zögernd und stolpernd in den Mittelweg zwischen die Tische trat und nach seinem Geigenkoffer griff, spürte Flinn eine zarte Verbundenheit zu ihm. Er wirkte genauso unsicher, wie Flinn sich oft fühlte.

Ach ja, und da wäre noch das unbekannte Mädchen, das Fedor, der Kohlenjunge, am nächsten Bahnhof trifft. Was will er von ihr und vor allem was will dieses Mädchen von Fedor?

Fedor war nicht allein. Ihm gegenüber stand ein blasses Mädchen mit hohem, dunklem Dutt und einem dicken Parka. Es war genauso dünn wie Flinn, aber im Gegensatz zu ihr bewegte es sich auf eine grazile, aufrechte Art. Sein Lachen war breit und strahlend. Flinn fand, innerhalb der einen Minute, die sie die beiden beobachtete, lachte das Mädchen eindeutig viel zu viel. „Fedor ist nicht so lustig“, nörgelte Flinn. Es klang wie eine Feststellung, Behauptung und Beschwerde in einem.

Wer war dieses Mädchen? Es sah jünger aus als Flinn, aber in seinen Augen lag etwas Erwachsenes, Ernstes, was sie und Fedor wie zwei Puzzleteile wirken ließ, die perfekt zueinanderpassten.

Kasim pfiff leise durch die Zähne. Offenbar hatte er verstanden, was Flinn störte und dachte, sie würde Fedor eine Szene machen. Doch Flinn rutschte bloß tiefer auf der Metallbank, bis sie den Kopf zwischen den Schultern und hinter angewinkelten Knien verstecken konnte. Sie fühlte sich betrogen. Und zugleich spät dran, so als hätte sie einen wunderschönen Bumerang am Timothy & Nicks für später reserviert und nun, da sie zurück in den laden kam, war er verkauft, weil man die besten Dinge im Leben nun mal nicht zurückstellen kann wie eine kalte Suppe.
„Sie ist sehr hübsch“, gab Flinn zu und stopfte sich eine Teigtasche in den Mund, damit niemand sie verstand. In Gedanken setzte sie hinzu: Und ich nicht.

Und wer sind die Nordwaschbären und wieso hat jeder so viel Respekt vor Ihnen?

Flinn zog sich ihre Bettdecke über den Kopf, um sich eine Diskussion mit ihr zu ersparen. Zwei Sekunden lang atmete sie den staubigen Sommerduft ihrer Bettwäsche ein. Dann schlug sie die Decke wieder zurück und sagte: „Du musst mir helfen, Pegs. Du musst mir sagen, wer diese Nordwaschbären sind. Bitte.“, setzte sie hinterher, und dann noch: „Für Jonte.“
Pegs seufzte ergeben. Die glorreiche Erscheinung, die Flinn ihrem Bruder immer wieder attestierte, hatte längst auch ihre Freunde in ihren Bann geschlagen.

„Ich zeige sie dir beim Frühstück“, versprach Pegs leise. Ihre Stimme zitterte vor Aufregung.

Was ist das Haus Delectus, das Schattenhaus? Hat es etwas mit Jontes Verschwinden zu tun? Weiß die neue Lehrerin mehr darüber oder kommt sie gar von dort?

Mrs Steinmann strich sich übers krause Haar. In der roten Regenjacke, die sie heute trug, sah sie aus wie ein furchterregender Clown. „Es gibt noch andere besondere Schulen außer dem Weltenexpress“, erklärte sie mit vielsagendem Blick.
Neben Flinn sog Pegs die Luft ein.

„Aber sie kommen doch nicht aus dem Schattenhaus, oder?“, fragte sie scharf.

Über das Haus Delectus gab es im Zug nur geflüsterte Worte, heisere Warnungen und Gerüchte, die von der Feindschaft zwischen dieser Schule und dem Express erzählten. Es hieß, das Schattenhaus wäre kein guter Ort.

Das Böse sucht in vielerlei Gestalt den Weltenexpress* heim, muss Flinn hören. So erfährt sie am Rande vom Nachtfänger.

„Wer oder was ist eigentlich der Nachtfänger?“, fragte Flinn am nächsten Morgen Pegs. Beide Freundinnen standen im Pyjama vor den Kleiderschränken und rätselten, welche Kleidung sie für den heutigen Kampfkunstunterricht auswählen sollten. Normalerweise trugen alle Pfauen kurze Sportkleidung, während sie am Mittwochvormittag am Gleisrand Ausdauerübungen machten. Doch hier, weit hinter Moskau, inmitten von Schnee und Eis, schien sogar der dickste Pullover ungeeignet und viel zu dünn für diese Kälte.

Und inmitten all dieser Geheimnisse und auf der Suche nach Jonte kämpft Flinn mit ihrer Unsicherheit, gegen ihre Unsicherheit, mit ihrer Verheißung und gegen ihre Verheißung, ein Tigerkind zu sein.

Ich verstehe nicht, warum alle Leute immer mehr sein wollen“, flüsterte Flinn. Sie wollte im Weltenexpress leben, ja, aber danach die Welt verändern? Das klang beängstigend und schier unmöglich.
Zögernd versenkte Flinn sich wieder in ihre Lektüre. Auch ohne zu wissen, wer von ihnen eine Tigerkind gewesen war, schüchterten diese ehemaligen Pfauen sie ein. Sie hatten in ihrem Leben unbekannte Tierarten und Landstriche entdeckt, große Erfindungen gemacht oder Weltliteratur geschrieben. Wie hatten sie es nur geschafft, mehr als bloße Schüler zu sein? Wie hatten sie ihr Leben zu etwas machen können, was größer war als sie selbst?

Bis es Zeit zum Abendessen war, hatte Flinn zwanzig Bücher durchblättert und die ersten hundert Seiten einer Biografie über George Stephenson gelesen. „Ich wünschte, ich wäre wie du“, flüsterte sie und betrachtete das Bildnis des jungen, mutigen Mannes.

Mein Fazit zum zweiten Teil von Der Weltenexpress

Nimm, sobald du den ersten Teil ausgelesen hast, sofort den zweiten Teil in die Hand, damit die Fahrt auf dem rollenden Internat auf Schienen ohne Zwischenhalt weitergeht, damit du Flinn und ihre Freunde Pegs, Kasim und Fedor auf der Suche nach Jonte begleitest, damit all die Geheimnisse des Weltenexpress nicht an dir vorüberziehen! Lies es mit deinen Kindern, die die Unsicherheit von Flinn so gut nachempfinden können, sich am Mut und Willen von Flinn festhalten, stärken können!

Geschrieben von Karo

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